Maria, die Königin Polens
Xeni@
April 2020
Mixed media
Maria hat in Polen eine zusätzliche Dimension. Seit dem 17. Jahrhundert wird sie als Königin Polens verehrt.
Dies unterscheidet die katholische Kirche von anderen christlichen Konfessionen in diesem Land. Der Titel „Maria Königin Polens“ stammt aus der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts. Am 1. April 1656 schwor König Jan Kazimierz in der Kathedrale von Lemberg offiziell vor dem Bild von Maria: „Ich wähle Sie heute als meine Schutzpatronin und Königin meiner Gebiete.“ Die Königin Polens ist heutzutage die Hauptpatronin der Erzdiözese Częstochowa und Przemyśl.
Es ist jedoch das Bild der heiligen Mutter Maria aus Częstochowa, das für das polnische Volk eine Visualisierung ihrer heiligen Königin darstellt. Genau dieses Bild nahm die Künstlerin, um einen Kommentar zu den religiösen und politischen Ereignissen zur Regierungszeit der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PIS) in Polen abzugeben. Ins Zentrum wurde die 2017 aufs Neue angefangene Diskussion über die Veränderungen im herrschenden Abtreibungsgesetz gestellt. Nach der Übernahme der Macht durch die Partei "Recht und Gerechtigkeit" begannen polnische ultrakonservative Organisationen eine Chance für die Änderung bestimmter Gesetze zu sehen. Einer der neuen Gesetzentwürfe ist das Projekt von Kaja Godek, nach dem in Polen ein totales Abtreibungsverbot eingeführt werden soll.
Die Autoren dieses Projekts verlangen eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren für jeden, der gegen dieses Gesetz verstößt. Den Personen, die unabsichtlich zu einer Abtreibung beitragen könnten, sollen drei Jahre Haft drohen. Die Pläne, dieses Gesetz in Polen zu verschärfen, erweckte eine Welle des Protestes in Polen und im Ausland. Schon das gegenwärtige Gesetz, das als "Abtreibungskompromiss" bezeichnet wurde, ist eher ein Gesetz auf dem Papier, was vielmals gezeigt wurde. Einer der bekanntesten Fälle war der von Alicja Tysiąc, der aufgrund schlechter Prognosen für ihre Gesundheit eine Abtreibung zustand. Da sie jedoch von vielen Ärzten abgewiesen wurde, wurde sie quasi zur Geburt gezwungen. In Konsequenz dieser Geburt verlor die Mutter praktisch ihr Sehvermögen. Die Debatte um das Abtreibungsgesetz wurde in der Zeit der nationalen Quarantäne aufgrund der Corona-Pandemie 2020 erneut geführt, als es in Polen verboten war, sich gemeinsam mit seinem Ehepartner auf der Straße zu bewegen. Da Einkaufen eine der wenigen erlaubten Aktivitäten in dieser Zeit war, wählten die Frauen als eine Form des Protestes dagegen das Schlangestehen an Geschäften. So gewann das Protestlied von Krystyna Prońko „Die Litanei der Schlangestehenden“ aus der Zeit des Sozialismus, in der Schlangestehen wegen der Versorgungssituation zum Alltag gehörte, wieder auf eine gewisse Art an Aktualität.
Die Künstlerin nahm die Problematik der Debatte im polnischen Parlament zum Thema Abtreibung als Ausgangspunkt für eine Präsentation der Konsequenzen der konservativen, nationalistisch denkenden Regierung in den Jahren 2015-2020: Die umstrittenen Baumfällarbeiten im Białowieska Urwald, eine Ausweitung der Berechtigungen für die Jäger, beispielsweise dass diese während der Zeit der Quarantäne Jagden organisieren und zu diesen ihre eigenen Kinder mitnehmen durften, während es anderen Menschen sogar verboten war, Parks und Wälder überhaupt zu betreten; fremdenfeindliche Aussagen, der Kampf um die Inhalte des Sexualkundeunterrichts in den Schulen, die Diskriminierung sexueller Minderheiten. Vor allem die autokratische Form des Diskurses, was die sexuelle Orientierung eines Menschen anbelangt, wird oft mit der Zustimmung der polnischen katholischen Kirche geführt. Nicht ohne Grund greift die Künstlerin zu einem Mittel, das von vielen als Blasphemie verstanden wird. Auch wenn dies wie ein Widerspruch aussieht, sieht die polnische Gesetzgebung eine Verletzung religiöser Gefühle von Atheisten durch religiöse Menschen nicht, sehr wohl aber die der letzteren durch erstere. Nichtgläubige werden im Namen des Gesetzes und somit durch den Rechtsstaat dazu gezwungen, nach den durch die katholische Kirche definierten Regeln zu leben, was letztendlich nichts anderes ist als Diskriminierung und somit in diesem Sinne auch eine Verletzung religiöser Gefühle anders denkender Menschen, indem diese nämlich zu religiösen Verhaltensweisen gezwungen werden. In der Collage hält die Mutter Maria ein Banner mit der Inschrift „Ich bereue,dass ich nicht abgetrieben habe“. Die Künstlerin versetzt sie in die Rolle einer protestierenden Polin. Sie befreit sie von dem durch die schwierige polnische Geschichte entstandenen Mythos: Mutter Polin Märtyrerin. Maria, die Königin Polens, zeigt nicht nur metaphorisch die Zerstörung, die die Geburt mit sich bringen kann, sondern stellt auch die Frage, ob es für den Planeten und das Schicksal verschiedener Menschen wirklich gut ist, wenn jeder Mensch zur Welt gebracht wird. Vor allem wird sie hier in der Collage als Königin Polens nicht der Katholiken sondern der Verfolgten dargestellt, womit dieser Nationalfigur wieder der Platz in der Gesellschaft eingeräumt wird, die ihr eigentlich zusteht: Eine historische und ikonografische Bezugsfigur für alle Polen zu sein.