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Digitaler Bilderkitsch

Im Grunde liefert jedes Smartphone bereits digitalen Kitsch. Die Farben sind in der Regel überzeichnet: alles muß dramatischer aussehen als in der Wirklichkeit. Das Smartphone ist das Medium für Wichtigtuer. Kein Frühstück, kein WC-Gang, der nicht auf WhatsApp dokumentiert wird.


Das ist angewandter digitaler Lebens-Kitsch.


Damit ist das Foto aus dem Smartphone dem Heimatgemälde nicht unähnlich.
Dort wo in Wirklichkeit ein scheues Reh des Weges kam, wird ein röhrender Hirsch in Öl gemalt. Handsigniert.


Analoge Landschaftsfotografie, die nichts übertreibt, erscheint den meisten Betrachtern heute als unfertig. Alles muß spektakulär sein.

Alles muß überzeichnet sein.

Realität im Leben? In der digitalen Welt? War gestern.


So hat schon das omnipräsente Smartphone, die Nervensäge unseres Zeitalters, für eine Manifestation von Bilderkitsch im Vorübergehen gesorgt.

Weiter in den Abgrund der Kunstfälschung führt die Nutzung sogenannter „Art filter“ in Digitalkameras für Einsteiger: professionelle Kameras weisen derartige Möglichkeiten kaum auf, weil deren Nutzer ein gewisses ästhetisches Ethos besitzen und leben.

Und ihre Kameras sind teuer.

Der Amateur ist indes skrupellos. Er kauft alles, weil es digital und neu ist, und ist in einem halben Jahr, was anderes neu, kauft er das. Und es ist alles billig. Oft heißt der Amateur Erhardt oder Albert  oder Portner und ist stolz auf seine Knipsereien, die er sofort weltweit mit allen Menschen und bots teilt.


Mit besonderer Vorliebe nutzt der Amateur, der eigentlich gar nichts liebt, sondern nur konsumiert,  Effektfilter,  also Algorithmen, die lächerlich schlecht Techniken nachäffen, die profundes handwerkliches und künstlerisches Können brauchen wie Öl- oder auch nur Aquarellmalerei.


Art-Filter, wo Eberhard: wo bitte bleibt die Kunst?


Art-Filter: Sie entwerten jedes Bild auf den Stand von Kunstgewerbe.

Lochkamera-Emulationen sehen wie sonst was aus, nur nicht wie Bilder, die mit einer Lochkamera gemacht wurden. Randvignettierung macht noch lange kein Lochkamera-Foto aus. Ich habe ca 50 Lochkameras – und die Bilder einer jeden von ihnen haben einen ganz eigenen Charakter. In der Praxis ist Lochkamera-Fotografie relativ komplex. Jeder Affe aber kann eine Lochkamera-Emulation einschalten: Art-Filter und los geht es mit der Kitschproduktion.

All diesen Art-Filtern ist gemeinsam, daß ihre Verwendung Ergebnisse zeitigt, die ein Schlag ins Gesicht derjenigen sind, die diese Techniken tatsächlich beherrschen.

Ein Cross-Entwicklungsfilter erzeugt einen satten Grünstich. Die Vielfalt von Ergebnissen realer Cross-Entwicklung wird nicht erfaßt: je nach Film, Entwickler und eventuellem Ablaufdatum variieren die Ergebnisse von Cross-Entwicklung extrem. Dies stört aber den Anwender dieser Kitschfilter nicht. Sie fühlen sich dann ernsthaft so, als könnten sie Filme entwickeln, Fotos tonen, Aquarelle malen oder gar Öl-Gemälde. Sie wissen aber ganz tief innen, daß sie lächerliche Hochstapler sind.

Nicht, daß der Hochstapler heute noch eine ehrenrührige Figur wäre. Ganze Regierungen bestehen aus nichts anderem als Hochstaplern und Betrügern.

Mein Rat: Schauen Sie in den Spiegel. Grübeln Sie darüber nach, ob Sie digitalen Kitsch erzeugen und ein Betrüger sein sollen.


Bekennen Sie sich aufrichtig dazu, daß Ihre Fotos mittelmässig sind und niemanden auf der Welt ausser Sie selbst interessieren.

Und: Belegen Sie eine Aquarell-Mal-Kurs an der Volkshochschule. Und eine Einführung die künstlerische Ethik.


Das digitale Kitsch-Aquarell