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Jever: die Stadt der Gegensätze und der hohlen Gassen, durch die niemand kommen mag.
Jever wurde schließlich nicht von Friedrich Schiller erschrieben (vgl. Wilhelm Tell, IV,3).
Die Stadt: Sie liegt 59,9km von Oldenburg entfernt und 81,0km von Emden.
Das steht überall in der Stadt zu lesen. Jedenfalls am Bahnhof, ins Werk gemauert.  Derartig genaue Entfernungsangaben sollten mißtrauisch machen. Verschwiegen wird, daß Jever 2970,0174km von Reykjavik entfernt liegt, meiner absoluten Lieblingsstadt.
Falls ich jemals sterben sollte, täte ich dies gerne in Reykjavik.
Die Entfernung zu Reykjavik: Diesen fehlenden Hinweis nehme ich den Stadtoberen von Jever persönlich sehr übel. Auch keine Rede davon, wieweit Jever von Kritsa auf Kreta entfernt liegt, nicht einmal an einer Mülltonne. Kein Mensch ist Reykjavik weiß, wo Jever liegt. Vielleicht im isländischen Hochland?
Jever hat sehr viele Mülltonnen mit lustigen Aufklebern darauf, viele von der ortsansässigen Brauanstalt verschenkt.
„Jever Pilsener“ auf einer Mülltonne zu lesen… ist schon merkwürdig.
Alle Welt in Niedersachsen spricht von Jever. Jever ist in den Straßenbahnen von Hannover das Stadtgespräch in mindestens 43 Sprachen. Keine davon ist Deutsch.
Jever hat dergleichen nicht zu bieten.
Jever ist die Stadt des Bieres. Hannover hat nur Herrenhäuser und Lindner zu bieten, die unter Kulturmenschen nicht als Biere durchgehen können.
Die meisten Ukrainer in Hannover wissen von Jever so gut wie gar nichts, saufen Wodka auf Bürgergeld und vomitieren in der Straßenbahn.
Daß Bier müde macht, kann man schon bei der Anreise nach Jever sehen: Ein Viertel der Zug-Insassen schläft.
Das Hotel in Jever ist sauber und adrett, das Personal freundlich. Im Flur stehen Silberhirsche aus Plaste umher. Der Propaganda-Beauftragte der Stadtverwaltung hat uns in einer persönlichen Depesche darum gebeten, den Namen „Jever“ in möglichst jedem Satz zu erwähnen, falls wir jemals über die Stadt berichten würden.
Das verweigern wir. Sätze, in denen wirklich jedes Mal „Jever“ vorkommt, klingen unglaubwürdig. Was würden Sie sich unter einem Satz „Ich jevere jetzt mal“ vorstellen?
Im Hotel ist im Bad genug Platz für seriöse Selbstportraits, die künstlichen Blumen im Badezimmerhintergrund sehen nicht allzu echt aus um als echt durchzugehen. Das ist wirklich geschmackvoll.
Jever ist die Stadt der schönen Mauerrisse, der schönen Mülltonnen und der schönen elektrischen Schaltkästen. Typisch Jever.
Überhaupt Mülltonnen: Nirgendwo habe ich so fröhliche Mülltonnen gesehen wie in Jever.  Eine jede hat ein fast frivoles Lächeln auf dem Gehäuse.
Jever hat schöne Fassaden.
Jever hat häßliche Fassaden.
Jever hat Kopfsteinpflaster auf dem es sich vorzüglich ausrutschen läßt. Besser als zum Beispiel in Schenum oder Barderstede.
Nicht von allem in Jever gibt es Ansichtskarten.
Diesem Mangel hilft der vorliegende Ausstellungskatalog ab.
Wenn man durch Jever flaniert, findet man manchmal seltsame Anhäufungen am Straßenrand, von dem man gar nicht weiß, was es eigentlich sein soll. Kunst, Skulptur oder Nichtseßhafte?
Wer dunkle, enge Gassen sucht, weil er etwa unter einem prä- oder postnatalen Geburtstrauma leidet, der sollte nach Jever fahren. Er wird sich hier wieder in seinen Urzustand rückversetzt fühlen. Traumatisierungen sind ja in Deutschland sehr in Mode.
Jever bietet ansprechende Anmutungsqualität in Nebengassen. Jever hat viele Nebengassen. Und jede der Nebengassen hat eine eigene Nebengasse.
Die Restaurationen sind ein Niedergang von niedersächsischer Größe Das einzige Fischrestaurant schließt um 18 Uhr. Es bietet immerhin „Hausfrauenfilets auf Matjesart“ (oder umgekehrt, wir haben es vergessen) an und „Fischstäbchen mit Kartoffelsalat.“
Andere Restaurants sind wegen Reichtums an vier Tagen in der Woche geschlossen.
Der Rest repräsentiert eine kulinarische Müllhalde: Pizza, Pommes und das kulinarische AIDS der kultivierten westlichen Welt: Döner. Dazu noch Lamacun, Formfleisch-Schnitzel aus der Friteuse, und natürlich Burger, die man in Jever auch gerne „Börger“ nennt. Man ist ja in Östfröslönd.
Döner macht nicht schöner, wie die Bezahlwerbung der Fettimbisse lautet. Döner macht einfach nur fett und dumm. Wenn Sie einmal schauen wollen, was ständiger Döner-Verzehr aus ehemaligen Menschen machen kann: fahren Sie mal nach Berlin Neukölln.
Döner: Ist aber auch in Jever jederzeit verfügbar als eine Art Hauptlebensmittel.
In Jever stehen auffallend viele Kopfdarstellungen in Schaufenstern, die fatal an Marie Antoinette erinnern, die meines Wissens nie in Jever war.
In Jever hängen auffallend viele Bra’s, früher Büstenhalter oder BH genannt, im Stadtbild umher.
Für Fetischisten ein Grund zur Anreise.
Jevers Geschäftsleute neigen zu wundervollen Geschmacklosigkeiten in Fragen Farbgebung.
Jever ist die einzige Stadt in ganz Niedersachsen, in der Rollator-Bräute an rotgefärbten Fußgänger-Überwegen auch stehen bleiben, wenn ein Rettungswagen kommt, anstatt ein Zusatz-Fall für diesen zu werden. Man fragt sich schon, ob die Rotfärbung von Blut herrühren mag. Bestimmt nicht!
Braves Jever!
Jever ist eine Stadt der leeren Gaststätten mit langen weißen Holzbänken mit verblichenem Anstrich.
Jever ist eine Stadt mit voll intakten lost places im Inneren, so wie Berlin einst eine Stadt mit einer voll intakten Stadtmauer war, nur außen rum. Nicht innen drinnen.
Jever hat die schönsten häßlichen Fassaden in ganz Nordfriesland. Heinz Rühmann hätte sie „hübsch häßlich“ genannt. Ich saß neulich an seinem Grab in Aufkirchen und hab ihn bei einem doppelten Fercullen dafür bedauert, daß er nie in Jever war. Er hätte sicherlich Inspirationen für einen klassischen Film gefunden.
Jever: Hat die engsten Gassen ohne jeden Sinn.
Das seltsamste unmotivierte Rot an Fassaden.
Für Gelb gilt das Selbe. Ist wie bei der FDP: auffallend unangenehm.
Die Brauerei ist eine Enttäuschung. Zwar ist ihr Name auf praktisch jeder Getränke-Karte zu finden. Man weiß gar nicht ob das Wort „Jever“ die Stadt oder das Bier meint. Das ist wie mit den Türkenitalienernchinesen: Restaurant oder Nationalität? Ich gehe mal zum Türken. Ich gehe mal zu Aldi. Ich gehe mal zu Jever.
Die Brauerei: Das Gelände ist von einem Hochsicherheitszaun mit Stacheldraht umgeben, ganz so, als wäre Bierbrauen ein Geheimnis und nicht eines der niedrigsten Gewerbe der Welt.
Wenn ich Bierbrauen mit Prostitution vergleichen sollte, wäre ich unsicher, wem von beidem ich welchen Rang zusprechen würde.
Man kann die Brauerei leider nicht mehr besichtigen, seit sie an einen seltsamen Investor verkauft worden ist. Die dazugehörige Infrastruktur verödet vor dem Gelände. Das Gelände sieht außenherum trostlos aus ohne Ende
Naja. Niemand hat je behauptet, daß Bier aus Ostfriesland etwas Tröstliches haben müsse.
Meine jeversche Lieblings-Gaststätte „Zum Goldenen Anker“ hat seit 1993 geschlossen. Ich hab sie also niemals betreten können. Beide Jeverbesuche meines Lebens erfolgten später. Aber von außen himmele ich sie an, diese Gaststätte ohne Speisekarte. Und ohne Jever-Bier im Inneren. Auf der Fassade kommt es ja noch vor.
Es ist sehr schwierig, in Jever andere Biersorten als Jever zu bekommen. Eigentlich schade. Es gibt sehr gute Craft-Biere, die in Jever keine Chance auf Wahrnehmung haben.
Manchmal laufe ich in Jever mit einem Photo-Apparat durch die Gassen. Manchmal fake ich digitale Aquarelle.
Jever inspiriert zu trostlosem Kunstgewerbe.
Wie das Land, so die Becher: In Jever gibt es mehrere Läden, die davon leben, daß sie angeblich jeden Namen auf ihre Stehrumchen gravieren. Das ist aber alles nur Tourismus-Fang. Als ich darum bat, die 300 in Deutschland üblichsten Namen der Merkelschen Fachkräfte auf eine Tasse gravieren zu lassen, mußten sie alle aufgeben.
Außer Muham, Ahmet und Kuhlamm hatten sie nichts in ihrer Graviermaschine vorrätig. Damit ist Jever für den Kulturwandel nicht gut vorbereitet.
Jever ist die Stadt der wenig ansprechenden asiatischen Restaurants, die in Einkaufszonen versteckt sind, in denen niemand einkauft.
Naja, genau genommen gibt es davon genau ein Restaurant in Jever.
1 Restaurant [Eins]
In diesem Restaurant bemüht sich die Bedienung, eine echte Asiatin, darum sehr schnell und nachdrücklich eine Getränke-Bestellung für das Haus zu sichern. Selbstverständlich Jever Bier. Die Gefahr, daß man in einen Kiosk ausbrechen könnte, um dort ein Dosenbier zu kaufen, besteht nicht: es gibt keine Kioske in Jever.
Es besteht der Verdacht, daß die Asiatin hinter den Kulissen Prügel von ihrem Gatten bekommt in bester asiatischer Tradition wenn sie nicht möglichst schnell einen sicheren Verkauf verschafft für das Haus. Da wir diese Tradition ablehnen, bestellen wir umgehend 2 große Jever. Bier geht immer. Die Asiatin war garantiert nicht schönheitsoperiert, sondern absolut authentisch. Ich schwöre. Mein verstorbener Freund Thomas Lichtherz war sich sicher, daß Asiatinnen täglich verhauen werden müßten, um glücklich zu sein. Ich glaube das nicht und ich kenne zumindest einen gegenteiligen Fall: Der Hausbote unserer Galerie hat sich eine Thai-Frau aus dem Internet heruntergeladen und wird von ihr täglich verhauen. Nicht umgekehrt.
Viele Häuser in Jever sind für den Wechsel der realen Welt in den digitalen Irrsinn vorbereitet. Photographiert man beispielsweise eine rotgestrichene Fassade im Dunkeln in Jever, dann wird sie gerne auf dem digitalen Bild in GRÜN wiedergegeben. Erstaunlich, welche Wirkung die 7 Mitglieder der Grünen im Stadtrat haben. Grüne Politik ist auch in kleinen Dosierungen einfach nur schädlich.
Jever ist die einzige Stadt, in der man aufgefordert wird, mit den Hauben vorsichtiger zu sein, ohne zu erfahren um welche Hauben es sich handelt.
Jever ist auch die einzige Stadt, in der tote Plaste-Katzen am Straßenrand liegen um die sich keine Trauergemeinde versammelt.
Böses herzloses Jever.
Wenn man einmal die leeren Gesichter gesehen hat, die in jeverischen Gaststätten auf ihre Smartphones glotzen, hofft man  vielleicht, es würde in der Fremde besser sein und entwickelt Lust, nach Esens zu fahren.
Der Entschluß ist nicht völlig falsch.
Es gibt einen guten Reiseführer zu Esens:
Esens, Ostfriesland (Alternative Reiseführer: Der kleine Ense-Strzolka, Band 1)
979-8868111204
Jever ist die Stadt der Lebenden Toten.
Durchaus eine angenehme Gesellschaft, wenn man nicht zuviel vom Leben erwartet. Manchmal kann selbst Leben dort zu viel sein. An manchen Orten in der Welt hält man Leben ja gar nicht aus. Dazu gehören zweifellos Jever und Alfeld an der Leine.
Die historische Altstadt besteht aus einem Hafen, der keiner ist. In Jever. Alfeld hat nicht mal einen Hafen, der keiner ist.
Das Leben in Jever besteht aus Stoffwechselstillstand.
Angenehmer Schwebezustand, bevor der Tod kommt. Der kommt aber gewiß.
Falls er je den Weg nach Jever findet. Er hat ja auch andere Aufgaben.
Vielleicht überläßt der Tod die Stadt Jever auch einfach einem Schwebezustand zwischen ihm und dem Leben auf unbestimmte Dauer.
Wäre ökonomisch vernünftig.
Täte ich auch, wäre ich der Tod.
Immerhin ist Jever die Stadt mit den schwarz gekachelten WCs. Die sind ja immerhin eine Annäherung an den Tod.
Grandiose Klein-Küche mit wundervollen WCs.
Besser: Mauros, The Italian Bar… in Wirklichkeit eine Pizzeria.
Das ist meines Wissens die einzige Pizzeria, die Pizza mit Currywurst und Pommes anbietet. Das ist aber nichts gegen Alfeld an der Leine, wo es Pizza mit Fleischsalat oder Kartoffelsalat als Auflage gibt. Direkt hinter dem Bahnhofs-Klo. Aber Alfeld wäre Stoff genug für ein neues Buch. Welches zu schreiben pure Lebenszeitvergeudung wäre.
Das wirklich sehr trostlos wirkende Bordell in Jever nennt sich „Pretty Woman“. Offenbar hat es nur eine einzige Dame am Start, sonst würde es sich ja „Pretty Women“ nennen. Der Bordellbesucher in Jever muß sich darauf einstellen, Singular und Plural im Englischen unterscheiden zu können, weil die Dorfnutte keine Fremdsprachen kennt. Welche Sprache ihre Mutternuttersprache ist, ist schwer auszumachen. Ich vermute: Ostfriesisch. Aber ich weiß es nicht wirklich.
Mir fällt es überhaupt schwer, mir auch nur eine einzige hübsche Frau in Jever vorzustellen. Außer, ich bringe sie mir mit.
Habe ich gemacht.
Vor Ort sind nur Ostfriesinnen.
Die Situation in Jever ist ähnlich wie in Irland, wo die Frauen ausnahmslos so aussehen, als wären ihre Eltern Kartoffeln. Merke: Wer in Irland oder Jever eine attraktive Frau sehen will: Der bringe sie mit sich. Jever und Irland sind in der Frauenfrage das absolute Gegenteil von Island für mich.
Für Isländerinnen bin ich extrem anfällig.
Ach so: Jever ist die einzige Stadt, in der am Fahrstuhl zu lesen steht: „Achtung, es besteht Gefahr, in den Fahrstuhlschacht zu fallen.“